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Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

27. Februar 2013

BGH: Schätzung des merkantilen Minderwerts durch das Gericht nach Mängelbeseitigung am Bau zulässig

Das Gericht kann einen nach durchgeführter Mängelbeseitigung am Bauwerk verbliebenen merkantilen Minderwert nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen, auch wenn dieser durch das eingeholte Sachverständigengutachten der Höhe nach nicht festgestellt werden konnte. Anhaltspunkt für die Schätzung eines Mindestschadens können die Ergebnisse einer Befragung von Marktteilnehmern (eine „Expertenbefragung“) liefern.

In dem entschiedenen Fall hatte das Oberlandesgericht die Klage des Bauherrn gegen den Architekten und den Tragwerksplanern auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nach durchgeführter Mängelbeseitigung abgewiesen, da der Sachverständige – bei unstreitig verbliebenem mängelbedingten Minderwert – dessen Höhe nicht beziffern konnte. Die von dem Sachverständigen unter Marktteilnehmern durchgeführte „Expertenbefragung“, die geschätzte Minderwerte zwischen 5 % und 30 % ergeben hatte, sah das Gericht nicht als geeignete Grundlage für eine Schadensschätzung an, weil die von den Marktteilnehmern mitgeteilten Minderwerte auf deren jeweiligem „Bauchgefühl“ beruhten.

Anders der Bundesgerichtshof: Nach § 287 Abs. 1 ZPO soll das Gericht die Schadenshöhe schätzen. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Ein merkantiler Minderwert liegt vor, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben.

Im Streitfall handelte es sich nach den Feststellungen der Instanzgerichte um ein marktgängiges Objekt. Auch wenn es keinen „Markt“ für Wertminderungen gibt, kann eine „Expertenbefragung“ geeignet sein, Anhaltspunkte dafür zu finden, wie sich der reparierte Schaden auf die Bereitschaft potentieller Kaufinteressenten zur Zahlung eines geminderten Kaufpreises auswirken wird.

Auf der Grundlage der dokumentierten Angaben der Befragten zum Umfang des Minderwerts muss das Gericht prüfen, ob es den niedrigsten Wert als Mindestschaden dem Kläger zuerkennt oder ob es eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für gegeben hält, zu einem höheren Wert im Rahmen der gemachten Angaben zu gelangen. Notfalls muss das Gericht den Sachverständigen ergänzend beauftragen, die Angaben zur „Expertenbefragung“ transparent zu machen und in dem Rahmen mitzuteilen, welche Grundlagen den Befragten zur Verfügung standen, um sich ein realistisches Bild von dem zu begutachtenden Objekt zu machen.

Nur wenn dem Gericht gar keine greifbaren Anhaltspunkte als Schätzgrundlage zur Verfügung stehen, scheidet eine Schadensschätzung gem. § 287 Abs. 1. ZPO aus. Dann bleibt es dabei, dass der Geschädigte seinen Schaden und insbesondere dessen  Höhe nachweisen muss.

Anmerkung:

In gravierenden Fällen, in denen nach durchgeführter Mängelbeseitigung mit einem hohen merkantilen Minderwert zu rechnen ist, ist dem Geschädigten anzuraten, den merkantilen Minderwert auf der Grundlage des Gutachtens eines öffentlich-bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken feststellen zu lassen. Diese Sachverständigen arbeiten mit der sogenannten Zielbaum-Methode, auf deren Grundlage plausible Ergebnisse erzielt werden können, die häufig erstaunlich hohe Werte ergeben.

[BGH, Urt. v. 06.12.2012 – Az. VII ZR 84/10]