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Verfasser dieser News:

Markus von Laufenberg

Fachanwalt für Versicherungsrecht

27. Februar 2013

BGH zu Folgen einer Unfallflucht – Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Kfz-Haftpflicht- und/oder Kaskoversicherer

Im Rahmen der Kfz-Haftpflicht– und der KfZ-Kaskoversicherung kommt es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern, wenn der Führer des verunfallten Fahrzeuges, der gleichzeitig auch der Versicherungsnehmer ist, eine sog. Unfallflucht begangen hat, also den Straftatbestand des § 142 Abs. 1 oder 2 StGB verletzt hat.

Das LG Bonn vertrat in einem Urteil vom 15.11.2012 die Ansicht, dass nicht jedes vorsätzliche unerlaubte Entfernen von Unfallort gleichzeitig als eine arglistige Aufklärungsobliegenheitsverletzung gegenüber dem Kfz-Haftpflichtversicherer oder aber dem Kfz-Kaskoversicherer angesehen werden darf.

Diese Ansicht hat für den Versicherungsnehmer u.U. weitreichende Folgen: Wenn zwar eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung, nicht aber eine Arglist festzustellen ist, darf der Versicherungsnehmer den sog. Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG und den insoweit einschlägigen AKB führen. Dieser Beweis ist erbracht, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Entfernung vom Unfallort und die erst nachträgliche Vorführung des Fahrzeuges bei der Polizei Einfluss auf die Feststellung und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers gehabt hat. Wird dieser Beweis geführt, hat die nicht arglistige Anzeigepflichtverletzung anders als die arglistige Anzeigenpflichtverletzung keinen Einfluss auf die Regulierungspflicht des Versicherers, sie bleibt also für den Versicherungsnehmer folgenlos, der Versicherer muss Versicherungsschutz gewähren.

Die Frage, ob eine Unfallflucht regelmäßig als ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers angesehen werden muss, wird in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert.

Der BGH führte in einem Urteil vom 21.11.2012 (diese Entscheidung wurde wenige Tage nach dem Urteil des LG Bonn verkündet) aus, eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setze voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und dass er weiß, dass sein Verhalten die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Die oft von Instanzgerichten getroffene Feststellung, in den Fällen des § 142 StGB sei stets eine Arglist der Handlungsweise des Versicherungsnehmers anzunehmen, teilt der BGH wie das LG Bonn also nicht, sondern fordert eine einzelfallbezogene Betrachtung.

Somit ist auch in jedem Fall einer objektiv zu bejahenden Obliegenheitsverletzung nach Erfüllung des Straftatbestandes des § 142 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis zu ermöglichen, es sei denn, der Versicherer beweist ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers.
Das BGH-Urteil betraf den selteneren Fall, in dem sich ein Versicherungsnehmer zunächst nach einem Verkehrsunfall erlaubt vom Unfallort entfernt hat, dann aber seiner Pflicht zur unverzüglichen Ermöglichung nachträgliche Feststellungen nicht mehr rechtzeitig nachgekommen ist. Der Versicherungsnehmer hatte aber stattdessen seinen Versicherer zu einem Zeitpunkt über den Unfall informiert, zu dem er durch Mitteilung an den Geschädigten eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB noch hätte abwehren können. Der Kaskoversicherer hatte sich auf eine Leistungsfreiheit wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen.

Der BGH unterschied zwischen dem Fall des § 142 Abs. 1 StGB und dem Fall des § 142 Abs. 2 StGB.

Im ersten Fall, in dem sich der Versicherungsnehmer unerlaubt vom Unfallort entfernt, werde das Aufklärungsinteresse des Versicherers beeinträchtigt, so dass eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit zu bejahen sei.

In den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB sei das Aufklärungsinteresse des Versicherers nicht in jedem Fall beeinträchtigt, weil das Interesse des Versicherers durch die unmittelbar an ihn oder seine Agenten erfolgende Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt sei wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten selbst. Der Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer zu einem Zeitpunkt informiere, zu dem er durch Mitteilung an den Geschädigten eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB noch hätte abwehren können, verletze deshalb allein durch die unterlassene Erfüllung der Pflicht nach § 142 Abs. 2 StGB die Aufklärungsobliegenheit nicht.

Diese Ausführungen des BGH helfen dem Versicherungsnehmer aber nur in den Fällen, in denen nicht bereits eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 StGB vorliegt, also nur in den Fällen, in denen er sich zunächst erlaubt vom Unfallort entfernt hat. Die in diesem Fall nicht entscheidungsrelevanten Ausführungen des BGH zur Arglist sind dagegen auch in den Fällen des § 142 Abs. 1 StGB durchaus von Bedeutung.

[LG Bonn, Urt. v. 15.11.2012 – Az. 6 S 63/12, veröffentlicht in BeckRS 2013, 01133; BGH, Urt. v. 21.11.2012 – Az. IV ZR 71/11, veröffentlicht in BeckRS 2013, 00363]