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Verfasser dieser News:

Montgomery Hardebeck

Fachanwalt für IT-Recht

21. März 2013

Filesharing: LG Köln verneint Störerhaftung des Hauptmieters einer WG

Der vom sog. „Morpheus“-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2012 (Az. I ZR 74/12 – vgl. unsere News vom 26.11.2012) erhoffte Impuls für eine grundlegende Neubewertung der Störerhaftung im Bereich des Filesharing (= Haftung eines Anschlussinhabers, der selbst nicht Täter ist) scheint tatsächlich gegeben worden zu sein.

Das Landgericht Köln, welches in den letzten Jahren eher durch eine durchaus als rechteinhaberfreundlich zu bezeichnende Rechtsprechung aufgefallen ist, hat mit Urteil vom 14.03.2013 einen weiteren Schritt zu einer angemessenen Bewertung der Verantwortlichkeit eines Inhabers eines Internetanschlusses für Rechtsverletzungen Dritter mit diesem Anschluss unternommen.

Im vorliegenden Fall sollte der Hauptmieter einer Wohngemeinschaft dem verletzten Rechteinhaber den durch eine mit dem auch auf ihn laufenden Internetanschluss der WG begangene Urheberrechtsverletzung entstandenen Schaden sowie die generierten Abmahnkosten ersetzen.

Der Abgemehnte verweigerte dies mit der Begründung, dass er nicht mehr in der WG lebe und daher keinerlei Zugriffsmöglichkeiten zur Kontrolle der Aktivitäten der weiteren WG-Bewohner gehabt habe. Im Übrigen sei er zum Tatzeitpunkt nachweislich nicht in der fraglichen Wohnung gewesen.

Dem folgten die Richter der 14. Zivilkammer. Sie kamen zunächst nach entsprechender Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass eine Täterschaft nicht in Betracht komme und eine dies voraussetzende Haftung auf Schadenersatz für entgangene Lizenzgebühren damit ausscheide.

Aber auch – und dies ist das eigentlich spektakuläre an dem Urteil – eine Störerhaftung des Abgemahnten wurde verneint. Der Hauptmieter sei weder verpflichtet, anlasslos, d.h. ohne dass begründete Verdachtsmomente vorlägen, eine Belehrung der Untermieter auszusprechen; zumal er überdies mit Blick auf die annähernd gleiche Altersstruktur in der WG keinen bedeutsamen Wissensvorsprung bzgl. der Unzulässigkeit von Urheberrechtsverletzungen habe. Noch sei er verpflichtet, entsprechende Kontrollen durchzuführen; er dürfe dies nicht einmal, da er ansonsten die von ihm als Hauptmieter gegenüber den Untermietern geschuldete Unverletztlichkeit der Privatshäre missachten würde. Hinzu käme, so die Kammer, dass die Untermieter wiederum ihm gegenüber Schutz- und Rücksichtnahmepflichten hätten, welche das Unterlassen rechtswidirger Handlungen einschlössen. Hierauf dürfe sich der Hauptmieter auch verlassen, solange er keinen gegenteiligen Anhaltspunkte habe, so die Richter.

Damit wird die zuletzt nahezu ins uferlose ausgeweitete sog. Störerhaftung nach der Beschränkung der Elternhaftung mit dem o.g. BGH-Urteil nach dem Familienkreis in einem weiteren wichtigen Bereich des täglichen Lebens einer Korrektur unterzogen. Die teils recht willkürlich anmutenden Argumentationsansätze der Abmahnkanzleien werden so weiter in die Schranken gewiesen, und man darf hoffen, dass diese Rechtsprechung Schule macht.

Inwieweit dies alles auch auf WGs anzuwenden ist, in welchen Haupt- und Untermieter gemeinsam wohnen, bleibt abzuwarten. Dafür spricht sicherlich, dass die angesprochenen Prinzipien auch dort gelten. Allerdings ist die deutsche Rechtsprechung im Bereich des Filesharings von wenigen Ausnahmen abgesehen ein wahrer Flickenteppich an Einzelfallentscheidungen, so dass es kaum eine Garantie dafür geben dürfte, dass andere Gerichte dies nicht anders beurteilen.
Nichtsdestotrotz ist dies ein weiteres, sehr erfreuliches – wenn auch zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels noch nicht rechtskräftiges – Urteil, welches hoffen lässt, dass die Rechtsprechung die Zeichen der Zeit sowie die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft erkannt hat und gewillt ist, die unerhörten Auswirkungen der zeitweilig scheuklappenartigen Verurteilung von unbescholtenen Anschlussinhabern auf unsere Gesellschaft zumindest einzugrenzen.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht und das die Gerichte auch in weiteren Lebensbereichen dem nach wie vor grassierenden Abmahnwahn klare Grenzen aufzeigen. Dass diese aus Sicht der Abmahnkanzleien nur als herbe zu bezeichnende Niederlage ausgerechnet die Kollegen der massenhaft im Abmahnbereich auftretenden Kanzlei Rasch aus Hamburg trifft, welche ja bereits im Morpheus-Fall spektakulär gescheitert waren, dürfte für viele Abmahnungsopfer zur Genugtuung beitragen.

[Quelle: Spiegel Online, Netzwelt, 21.03.2013; LG Köln, Urt. v. 14.03.2013 – Az. 14 O 320/12; wbs-law.de]