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Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

3. Februar 2017

BGH zur Haftung des Versicherungsmaklers als „treuhänderischer Sachwalter“ seines Auftraggebers

In seiner Entscheidung vom 10.03.2016 hat der Bundesgerichtshof ausführlich zu der umfassenden Pflichtenstellung und der daraus folgenden sehr weitreichenden Haftung des Versicherungsmaklers gegenüber einem Auftrag gebenden Unternehmen Stellung genommen. Dabei hat er in mehreren Leitsätzen die für die Praxis wichtigen Grundlagen und Grundsätze der Haftung dargestellt und auf eine prozessrechtliche hingewiesen.

1.
Die Pflichten des Versicherungsmaklers zur Aufklärung und Beratung umfassen vor allem die Fragen, welche Risiken der Versicherungsnehmer absichern sollte, wie die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden kann und zu welcher Prämienhöhe welche Risikoabdeckung erhältlich ist.

In den Entscheidungsgründen (Rz. 18, Seite 7f) führt der BGH zur Pflichtenstellung des Versicherungsmaklers ergänzend Folgendes aus: „Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen. Deshalb ist er, anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler, dem ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen Versicherungsnehmer gegenüber üblicher Weise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Dem entspricht, dass der Versicherungs-makler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Das gilt trotz der in vielen Ländern gleichförmig bestehenden Übung des Versicherungsvertrags- rechts, wonach die Provision der Versicherungsmakler vom Versicherer getragen wird (…).“
2.
Erst wenn der Versicherungsmakler seine Prüfungs- und Beratungspflichten umfassend erfüllt hat und sich der Versicherungsnehmer gegen die ihm vorgeschlagene, sach- und interessen-gerechte Vorgehensweise entschieden hat, kann der Versicherungsmakler für einen unzureichenden Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers nicht (mehr) verantwortlich gemacht werden. Eine Pflicht des Versicherungsmaklers zur Wiederholung seiner Empfehlung besteht dann nicht mehr.

3.
Ist der Versicherungsnehmer noch nicht oder nicht ausreichend beraten worden, darf der Versicherungsmakler keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren und hat dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer eine für eine sach- und interessengerechte Entscheidung geeignete Entscheidungsgrundlage erhält. Der Versicherungsmakler darf von der Beratung eines nicht ausreichend informierten Versicherungsnehmers nur absehen, wenn der Versicherungsnehmer ihm unmissverständlich erklärt, dass er auf eine weitergehende Beratung verzichtet.

4.
Ein Versicherungsmakler, der seiner sekundären Darlegungslast zur Erfüllung seiner Auftrags- und Beratungspflichten nicht genügt hat, ist für seine Behauptung einer sach- und interessenwidrigen Weisung des Versicherungsnehmers und dessen Verzicht auf eine weitergehende Beratung darlegungs- und beweisbelastet.

Diese für die Praxis äußerst wichtige Regelung der Darlegungs- und Beweislast wird in den Urteilsgründen näher beschrieben und erläutert. Das Berufungsgericht hatte nach Auffassung des BGH zwar zu Recht angenommen, die geschädigte Klägerin habe nicht bewiesen, dass Sie vom Versicherungsmakler die Vermittlung eines umfassenden, alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutzes bei der Betriebsunterbrechungsversicherung verlangt und dieser seine Vertragspflichten verletzt habe, weil er diesem Wunsch nicht entsprochen habe. Gleichwohl hatte das Berufungsgericht aber zu Unrecht angenommen, ein Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsmakler bestehe nicht. Denn das Berufungsgericht habe zu geringe Anforderungen an die den Versicherungsmakler treffenden Pflichten und die in diesem Zusammenhang bestehende sekundäre Darlegungslast des Maklers gestellt.

Die Darlegung des Versicherungsmaklers, er habe die Klägerin auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie die dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Risiken hingewiesen und einen Versicherungsschutz gegen alle Risiken empfohlen, beschreibe nicht die vollumfängliche Erfüllung aller dem Versicherungsmakler obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten. Der behauptete Hinweis des Maklers, der ohne Prüfung und Erörterung im konkreten Fall erfolgt sei, sei keine am konkreten Bedarf des Versicherungsnehmers orientierte Beratung, enthalte auch keinen Hinweis auf eine sach- und interessengerechte Versicherung und schlussendlich auch keine Information über die dafür aufzuwendenden Kosten.

Weil sich aus den Darlegungen des beklagten Versicherungsmaklers nicht die vollständige Erfüllung der ihm obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber der Klägerin ergebe, müsse grundsätzlich von einer Schadensersatzpflicht des Versicherungsmaklers ausgegangen werden. Denn nach seinem Vortrag sei sein Auftraggeber als Versicherungs-nehmer noch nicht bzw. nicht ausreichend beraten worden. Die vom beklagten Makler behauptete Weisung seines Auftraggebers, einen für ihn nur unzureichenden Versicherungsschutz zu beschaffen, sei folglich sachwidrig gewesen und könne den Versicherungsmakler daher nicht entlasten. Die Befolgung einer sachwidrigen Weisung sei erst dann haftungsunschädlich, wenn der Versicherungsnehmer zuvor vollumfänglich beraten und aufgeklärt worden sei oder wenn er auf weitere Beratung unmissverständlich verzichtet habe.

Da der Versicherungsmakler, wie oben bereits dargelegt, die Erfüllung der ihm obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht hinreichend dargelegt hatte, hält der BGH ihn für seine Behauptungen – der sach- und interessenwidrigen Weisung des Versicherungsnehmers sowie dessen Verzicht auf eine weitergehende Beratung – für darlegungs- und beweisbelastet.

5.
Erst wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer auf einen umfassenden Versicherungsschutz und eine weitergehende Beratung durch den Versicherungsmakler verzichtet hat, ist der Makler nicht (mehr) gehalten, bei unveränderter Sachlage auf die damit verbundenen Risiken erneut hinzuweisen.

Praxishinweis:

Der seit dem 01.01.2008 aus §§ 59 ff., 63 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) folgenden Haftung der Versicherungsvermittler (Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler) kann der Versicherungsmakler im Streitfall von vorneherein nur dann entgehen, wenn er die ihm obliegende umfassende Pflichtenstellung gegenüber dem Versicherungsnehmer erkannt, den konkreten Bedarf des VN hinreichend ermittelt und die möglichst effektive Deckung der erkannten Risiken zu konkurrenzfähigen Prämien erarbeitet und seinem Auftraggeber kommuniziert hat. Das muss der in Haftung genommene Makler bzw. sein Rechtsanwalt dem Gericht detailliert vortragen.

Ergibt sich aus dem Vortrag des in Haftung genommenen Maklers die vollumfängliche Erfüllung der ihm im konkreten Fall obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht, ist der Makler in der Haftung. In diesem Fall hilft ihm die Behauptung, der VN habe keine weitere Beratung gewünscht oder die Eindeckung mit nicht hinreichendem Versicherungsschutz gefordert, nicht weiter.

[BGH, Urt. v. 10.03.2016 – Az. I ZR 147/14]