11. Januar 2014
BGH zur Streitfrage, was unter „gesonderte Mitteilung in Textform“ im privaten Versicherungsrecht zu verstehen ist
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 09.01.2013 eines der vielen bisher nicht geklärten Probleme im Rahmen der Einführung des neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zum 01.01.2008 gelöst. Es ging um die Frage, was unter „einer gesonderten Mitteilung in Textform“ in § 28 Abs. 4 VVG zu verstehen ist.
Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 28 Abs. 2 VVG bei der Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer nach Abs. 4 durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Rechtsfolge hingewiesen hat.
Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 19 Abs. 5 VVG, hier geht es um die Belehrungspflicht des Versicherers bezüglich der Folgen einer sogenannten Anzeigepflichtverletzung, also der falschen oder unvollständigen Beantwortung von Antragsfragen im Rahmen der Anbahnung des Versicherungsvertrages.
In der Literatur und der Rechtsprechung war nach Einführung des VVG streitig, ob entsprechend dem Wortlaut des Gesetzestextes diese Belehrung im Rahmen des § 28 Abs. 4 VVG (und dann folgerichtig auch im Rahmen des § 19 Abs. 5 VVG) auf einem gesonderten Blatt Papier zu erfolgen hat, oder aber ob die Belehrung auch anders gestaltet werden kann.
Der BGH hat in dem Urteil vom 09.01.2013 insoweit mit der wohl herrschenden Meinung diese Rechtsfrage dahingehend entschieden, dass die Belehrung nicht auf einem gesonderten Blatt Papier zu erfolgen hat. Es genügt, wenn der Versicherer die Belehrung des Versicherungsnehmers z.B. in ein Schadenmeldungsfragebogen oder ein sonstiges Schreiben aufnimmt, in welchem dem Versicherungsnehmer Fragen zur Aufklärung des Versicherungsfalles gestellt werden. Der BGH führt aber aus, dass sich in diesen Fällen die Belehrung aber durch ihre Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text derart abheben muss, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist.
Im streitgegenständlichen Fall war dies nicht der Fall. Der Text der Belehrung hob sich weder in Schriftart, Schriftgröße noch in Bezug auf Fett-, Kursiv- oder aber Normaldruck, Zeilenabstand, Zeilen- oder Absatzeinzüge oder Schriftfarbe ausreichend vom übrigen Text des Schreibens hervor. Auch andere graphische Mittel zur Hervorhebung von Text, wie Balken, Kästen, Pfeile oder eine besondere Hintergrundfärbung wurden nicht eingesetzt.
Der BGH kam daher im streitgegenständlichen Verfahren zu dem Ergebnis, dass die dortige Belehrung sich nicht vom übrigen Text derart abhob, dass sie für den VN nicht zu übersehen war, war zur Folge hatte, dass die Belehrung somit unwirksam und dann auch der Verstoß gegen die Obliegenheit für den Versicherungsnehmer folgenlos war.
Es ist festzustellen, dass nach Einführung des VVG viele Versicherer ihre Belehrungen im Sinne des § 28 Abs. 4 VVG und auch im Sinne des § 19 Abs. 5 VVG nicht so gestaltet haben, wie der BGH dies im Urteil vom 09.01.2013 verlangt. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer arglistig eine Obliegenheit oder aber eine Anzeigepflicht verletzt, sich auf das Fehlen einer ausreichenden Belehrung nicht berufen kann.
Ob diese Voraussetzung (Arglist) vorliegt, ist aber in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.
[BGH, Urt. v. 09.01.13 – Az. IV ZR 197/11; veröffentlicht in: r+s 2013, 114]