25. Mai 2016
EuGH zum Ausschluss eines Bieters vom Vergabeverfahren wegen Verweigerung von Mindestlohnzahlung
Ein Bieter, der es ablehnt, sich zur Zahlung eines bestimmten Mindestlohns an seine Beschäftigten zu verpflichten, kann von einem öffentlichen Auftraggeber vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden!
In dem Rechtsstreit ging es um ein Vergabeverfahren der Stadt Landau (Rheinland-Pfalz), welches den Abschluss eines Rahmenvertrages über die Abholung, Beförderung und Zustellung von Briefen, Päckchen und Paketen mit einer vorgesehenen Vertragslaufzeit von zwei Jahren und maximaler zweimaligen Verlängerung von jeweils einem Jahr zum Gegenstand hatte. Da der Wert des öffentlichen Auftrags weit über 200.000,00 € hinausging, wurde das Verfahren europaweit ausgeschrieben.
Im Zeitpunkt des Vergabeverfahrens bestand in Rheinland-Pfalz ein Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben vom 01.12.2010, durch welches das Land Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, entgegenwirken will und mit dem Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme gemildert werden sollen. Nach diesem Gesetz müssen sich Bieter im Vergabeverfahren des Landes verpflichten, an ihre Beschäftigten 8,70 € brutto pro Stunde zu zahlen. In dem hier maßgeblichen Zeitraum gab es in Deutschland für die Postdienstleistungsbranche keinen Tarifvertrag über einen verbindlichen Mindestlohn; dieser wurde erst später verbindlich durch das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom 11. August 2014 (Mindestbruttolohn 8,50 € pro Stunde) eingeführt.
Der EuGH sieht in der nach dem o. g. Landesgesetz vorgesehenen Verpflichtung eine nach der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vom 31. März 2004 zulässige zusätzliche Bedingung, da sie sich auf die Ausführung des Auftrags beziehe und soziale Aspekte betreffe. Das vergaberechtliche Erfordernis, die Verpflichtung in transparenter und nicht diskriminierender Weise in den Vergabeunterlagen darzustellen, sah der EuGH als erfüllt an.
[EuGH, Urt. v. 17.11.2015 – Az. RS. C-115/14 (zitiert nach ibr-online)]