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Verfasser dieser News:

Markus von Laufenberg

Fachanwalt für Versicherungsrecht

24. Oktober 2013

LG Karlsruhe zur Einstandspflicht des Vollkaskoversicherers bei einem platzenden Autoreifen

In der sogenannten Vollkaskoversicherung gibt es immer wieder Streit um die Frage, wann ein versicherter Betriebsschaden vorliegt.

In Ziffer A.2.3.2. AKB 2008 (Versicherungsbedingungen zur Kaskoversicherung) war hierzu geregelt:

„Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs …“.

In dem dem LG Karlsruhe vorliegenden Rechtsstreit befuhr ein Autofahrer mit seinem Pkw die Autobahn. Plötzlich platzte der hintere rechte Reifen. Dadurch wurden angrenzende Karosserieteile beschädigt. Ein Gutachter ermittelte, dass der geplatzte Reifen auf einen eingefahrenen größeren Fremdkörper, ggf. eine Schraube, zurückzuführen war.

Der Pkw-Fahrer verlangte von seinem Kaskoversicherer die Erstattung der Reparaturkosten, dieser lehnte unter Hinweis auf die oben zitierten Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2008) ab.

Das LG Karlsruhe entschied anders als das OLG Hamm im Jahre 1989 (Urt. v. 21.04.1989 – 20 U 255/88, veröffentlicht in: BeckRS 1989, 07823). Das OLG Hamm war seinerzeit der Ansicht, es gehöre zum normalen Betriebsrisiko eines Fahrzeuges, dass auf der Fahrbahn liegende kleine Gegenstände in den Reifen eindringen und diesen beschädigen. Es ließ offen, wie es zu bewerten sei, wenn auf der Fahrbahn größere Teile lägen, denen der Fahrer ausweichen wolle. Das allgemeine Betriebsrisiko sei aber in der Kaskoversicherung nicht versichert. Versichert seien lediglich Schäden, welche aus Unfallereignissen resultierten.

Das LG Karlsruhe folgte dabei allerdings nicht der Auffassung u.a. des LG Stuttgart (im Urt. v. 17.02.2012, NJW-RR 2012, 1500), wonach diese Klausel in den AKB 2008 unklar und damit unwirksam ist.

Das LG Karlsruhe kam nämlich schon im Wege der Auslegung der Klausel zu dem Ergebnis, dass der Vollkaskoversicherer Versicherungsschutz zu gewähren hatte.

Die Klausel sei als Ausschlussklausel eng auszulegen. Entgegen der Ansicht des OLG Hamm könne die Unvermeidbarkeit des Schadenseintrittes kein Kriterium für das Vorliegen eines Betriebsschadens sein. Nur Schäden aufgrund von Bedienungsfehlern sollten nach dem Inhalt dieser Vertragsbedingung nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein. Dann müssten aber im Umkehrschutz alle die Schäden versichert sein, bei denen weder eine Abnutzung noch ein Bedienungsfehler als Ursache für den Unfall in Betracht kommen.

Es bleibt abzuwarten, wie das OLG Karlsruhe und ggf. der Bundesgerichtshof die Rechtslage bewerten werden.

Für das LG Karlsruhe spricht, dass der „verständige und redliche Vertragspartner“ (BGH, Urt. v. 17.12.1987, NJW 1988, 1261) bzw. der „durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse“,  auf den bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen abzustellen ist (vgl. BGH, 23.06.1993, NJW 1993, 2369), diese Klausel in den Versicherungsbedingungen „bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges“ wohl eher so verstehen wird, dass ein von außen auf einen Reifen einwirkender Umstand (hier ein Fremdkörper) kein normaler Betriebsvorgang, sondern ein von außen auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, also ein Unfall, ist und dass damit Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung besteht.

[LG Karlsruhe, Urt. v. 20.08.2013 – Az. 9 O 95/12, veröffentlicht in: BeckRS  2013, 14544]