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Verfasser dieser News:

Montgomery Hardebeck

13. September 2022

LG Schwerin zur Prüfung der Wertigkeit einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit

Im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung ist insbesondere die Frage der Verweisung des Versicherungsnehmers auf eine konkret ausgeübte neue Tätigkeit nach zunächst erfolgter Anerkennung einer Berufsunfähigkeit im Wege der Nachprüfung regelmäßig Anlass für Konflikte zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer.

Das LG Schwerin hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die konkrete Verweisung eines zuletzt in gesunden Tagen als Rettungssanitäter mit Lehrzertifikat tätigen Versicherungsnehmers in den von ihm neu ausgeübten Beruf des selbständigen Taxiunternehmers zulässig ist.

Das LG hat dies im Ergebnis bejaht und dabei der BGH-Rechtsprechung folgend den Dreiklang von Einkommensvergleich, Ausbildungsanforderungen und sozialer Wertschätzung im Hinblick auf die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit im Vergleich mit der neuen Tätigkeit geprüft.

Von diesen Kriterien weist der Einkommensvergleich üblicherweise den stärksten Einzelfallbezug auf. Hier ergaben sich für den vorliegenden Streitfall allerdings keine erwähnenswerten Besonderheiten. Das LG kam auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Einkünfte auch unter Berücksichtigung der von einem selbständigen Versicherungsnehmer selbst zu tragenden Krankenversicherungskosten und Rentenversicherungsbeiträge keine entscheidungsrelevanten Mindereinnahmen vorliegen.

Interessanter sind demgegenüber die Ausführungen zu den Berufsanforderungen und zur sozialen Wertschätzung der neuen Tätigkeit.

Bei den Berufsanforderungen hat das Gericht zwar zugrunde gelegt, dass ein Rettungssanitäter mit Lehrzertifikat einer komplexeren Ausbildung mit höheren Anforderungen bedarf. Allerdings hat das LG auch festgestellt, dass – wiederum dem Einzelfall Rechnung tragend – vorliegend nicht nur eine Tätigkeit als Einzelunternehmer ohne Angestellte ausgeübt wurde, sondern dass der klagende Versicherungsnehmer drei angestellte Fahrer mit einem Fuhrpark von vier Fahrzeugen beschäftigte.

Das LG verwies auf die dafür erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht, in der Personalwirtschaft, in der Liquiditätsplanung, in der steuerlichen und buchhalterischen Behandlung von Geschäftsvorfällen und Investitionen, in der Betriebsorganisation sowie im Marketing. Für die Kammer wiegen diese, für eine erfolgreiche Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten, welche im Streitfall unstreitig vorlagen, die Tatsache auf, dass der Beruf des „selbständigen Taxiunternehmers“ kein anerkannter Ausbildungsberuf ist. Das LG führte hierzu ergänzend aus, dass namentlich auch die Führungskompetenzen, welche der Versicherungsnehmer als Ausbildung im Rettungswegen zwangläufig erworben haben musste, in der neuen Tätigkeit eine Entsprechung in der Funktion des Versicherungsnehmers als Arbeitgeber und Vorgesetzter der angestellten Fahrer finde.

Zur sozialen Wertschätzung führte die Kammer aus, dass zwar den Angehörigen paramedizinischer Berufsgruppen eine grundsätzlich in der Gesellschaft breit verankerte Anerkennung gezeugt werde. Allerdings kam die Kammer zu dem Schluss, dass die Tätigkeit auch eines Kleinunternehmers mit mehreren Angestellten und im vorliegenden Falle vier Fahrzeugen aufgrund der Sichtbarkeit und Größe des Unternehmens einer vergleichbaren, jedenfalls nicht entscheidungsrelevant niedrigeren Wertschätzung unterliege.

In der Gesamtschau sah die Kammer im Streitfall eine unter Berücksichtigung aller Kriterien gleichwertige Tätigkeit, so dass die auf Fortsetzung der Berufsunfähigkeitsleistung gerichtete Klage erfolglos blieb.

LG Schwerin, Urt. v. 22.03.2022 – Az. 2 O 37/22 [rechtskräftig]