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Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

10. Dezember 2012

OLG Naumburg, Beschluss vom 14.08.2012 – 10 W 39/12

Für die Begutachtung durch einen Gerichtssachverständigen gilt der Grundsatz, dass sich der Sachverständige auf die Feststellung von Tatsachen (Zustände, Ursachenzusammenhänge, Schätzkosten u.a.) zu beschränken hat, während die rechtliche Beurteilung des streitgegenständlichen Sachverhalts allein dem Gericht vorbehalten ist.

Für einen Sachverständigen im Bestellungsgebiet „Leistungen und Honorare von Architekten“, der nach dem Beweisbeschluss des Gerichts die Frage beantworten sollte, ob die Schlussrechnung des klagenden Architekten ordnungsgemäß erstellt worden oder ob unzulässiger Weise eine Doppelberechnung vorgenommen worden war, lässt das OLG Naumburg eine Ausnahme zu:

Die Beantwortung der Beweisfrage sei dem Gutachter nur möglich, indem die Schlussrechnung in einzelnen Teilbereichen darauf überprüft werde, ob die Planungsleistungen des Klägers nach Gegenstand und Umfang geeignet seien, die normativen Vorgaben der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure für den jeweils angenommenen Honorartatbestand auszufüllen, und ob die Rechnung sowie die zu ihrer Überprüfung vorgelegten Unterlagen den formellen Vorgaben der HOAI und damit den Vorgaben der einschlägigen DIN entsprechen. Es sei deshalb zwingend erforderlich, den technischen Sachverhalt unter die normativen Vorgaben der HOAI zu subsummieren, womit stets und unvermeidlich rechtliche Wertungen verbunden seien.

Im entschiedenen Fall hatte der Sachverständige zum Ausdruck gebracht, dass seine rechtlichen Wertungen ausschließlich aus fachlicher Sicht erfolgten und es dem Gericht überlassen sei, die rechtlichen Wertungen abschließend und verbindlich vorzunehmen. Mit dieser Begründung wurde der Befangenheitsantrag einer Prozesspartei als unbegründet zurückgewiesen.

Abgesehen von Fällen der Begutachtung in Architektenhonorarprozessen, überschreiten Gerichtsgutachter – vor allem noch unerfahrene – nicht selten die Grenze zwischen der ihnen übertragenen Tatsachenfeststellung im Sinne einer technischen Beurteilung und der Vornahme rechtlicher Bewertungen. In Fällen eindeutiger Überschreitung dieser Grenze kann eine rechtzeitige Befangenheitsrüge aussichtsreich sein.

[OLG Naumburg, Beschluss vom 14.08.2012 – 10 W 39/12]