3. März 2013
Bundestag verabschiedet neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Die Urheberrechtsnovelle, mit welcher das Leistungsschutzrecht zugunsten der Presseverlage im Internetzeitalter gestärkt werden soll, erntet vor allem Negativ-Kritik.
Am 01.03.2013 hat der Deutsche Bundestag die Ergänzung des Urheberrechts um Vorschriften zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger verabschiedet. Das bereits dem Koalitionsvertrag der schwarzgelben Koaliton aus dem Jahr 2009 entstammende Gesetzesvorhaben ist kurz vor dem Ende der Legislaturperiode damit zu einem vorläufigen Abschluss gekommen (ob die Länder im Bundesrat zumindest ein Vermittlungsverfahren erzwingen werden gilt wegen uneinheitlicher Standpunkte der SPD-geführten Landesregierungen als unsicher). Nachdem der Erstentwurf als zu restriktiv und eine stark abgeschwächte Version wiederum als „verwässert“ kritisiert worden waren, hat der Bundestag nun mit den Stimmen der Koalition den um Änderungsvorschläge des Rechtsausschusses ergänzten Gesetzesvorschlag verabschiedet (vgl. Bundestags-Drucksachen 17/11470 und 17/12534).
Kern des Streits um Sinn und Unsinn der Novelle ist die Frage, ob es etwas kosten soll, muss und darf, wenn Presseerzeugnisse im Internet verwertet werden und was überhaupt eine derartige Verwertung darstellen könnte.
Sieht man sich den Ursprungsentwurf der in das Urhebergesetz (UrhG) einzufügenden §§ 87f-h an, so stellt sich die berechtigte Frage, ob Suchmaschinen überhaupt noch zur Darstellung der Ergebnisse einer Suchanfrage auf Textauszüge, Titel oder Links zurückgreifen dürfen. Aber auch Blogs und vor allem News-Dienste, die selbst mittels maschineller Suche auf im Internet verfügbare Inhalte zurückgreifen und diese in eigener Zusammenstellung für bestimmte Zielgruppen präsentieren (sog. News-Aggregatoren) fürchteten, danach von der Gesetzesänderung betroffen zu sein.
Die Debatte wandelte sich daher auch rasch zu einem Streit über die bei solcherlei Anlässen stets gern angemahnte Freiheit des Internets, den Schutz geistigen Eigentums in Zeiten des Internets und vor allem das tatsächlich oder vermeintlich drohende Ende der „Google-Suche“.
Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wechselten sich verschiedene Vorschläge ab, wie die widerstreitenden Interessen von Verlagen, Internetnutzern und Suchmaschinenbetreibern, um nur die betroffenen Hauptgruppen zu nennen, in Einklang gebracht werden könnten. Das böse Wort von der „Lex Google„, einem Google-freundlichen Gesetz machte die Runde, seit der Ursprungsentwurf in verschiedenen Abwandlungen so umformuliert wurde, dass vor allem dem Suchmaschinenmarktführer das verwenden zumindest kurzer Textausschnitte (sog. Snippets) erlaubt bleiben soll.
Die Bewertung der letztlich gefundenen und als vorerst „endgültiger“ Gesetzestext verabschiedeten Formulierung fällt dabei erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Die Koalitionsparteien sehen darin eine folgerichtige Rechtsentwicklung und trauen den Marktteilnehmern zu, sich im Anwendungsbreich des Gesetzes durch geeignete Lizenzverträge zu einigen. Oppositionsparteien, Netzaktivisten, Blogger und teils Journalisten selbst beklagen, dass nicht zuletzt die Schaffung zu unbestimmter Rechtsbegriffe mehr Probleme schaffe als beseitige.
Die vom Rechtsausschuss vorgeschlagene Formulierung von § 87f Abs. 1, Satz 1 steht dabei im Kern der Kritik: „Der Hersteller eines Presserzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.“
Die Zukunft wird zeigen, ob die Abgrenzung zwischen zulässigen „kleinsten Textauszügen“ und unzulässigem Abfischen fremder Inhalte ohne Weiteres gelingen oder vielleicht doch nur auf gerichtlichem Wege erfolgen wird. Pessimisten sehen bereits ein neues Betätigungsfeld für Abmahnanwälte am Horizont aufziehen, die für die Rechteinhaber einträgliche Jagd auf Blogs & Co. machen könnten.
Wie schon zahlreiche vorherige Gesetzesnovellen zu den Themen Internet und Schutz geistigen Eigentums droht auch diese, zu zahllosen Rechtsstreitigkeiten zu führen und faktisch den Gerichten die Klärung der offen gebliebenen Fragen zu überlassen. Sollte es tatsächlich so kommen, wäre dies ein ähnliches Fiasko wie die zweite Novelle zur „Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ (sog. „2. Korb“), welche am 01.01.2008 in Kraft trat und insbesondere das Abmahnwesen im Bereich Filesharing nicht nur nicht reguliert, sondern zum Nachteil zahlloser Internetanschlussinhaber zu einem höchst lukrativen Massengeschäft gemacht hat.
Dass nach ersten Meinungsäußerungen aus verschiedenen Lagern das Zitieren von Titeln, deren Verlinken sowie auch das Zitieren aus Artikeln in Blogs von der Gesetzesänderung nicht betroffen sein sollen, wobei insbesondere die fortbestehende Zitierfreiheit ins Feld geführt wird, muss die beständig auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern befindlichen Abmahner nicht unbedingt abschrecken. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen einem Internetnutzer, dessen Rechtsschutzversicherung (so er überhaupt über eine verfügt) ihm bei Urheberrechtsverletzungen keinen Schutz bietet, und der Schlagkraft großer Rechteinhaber mit ihren Rechtsabteilungen bzw. Anwälten zeigt bereits seit Jahren im Bereich des Filesharings, dass es ans Aussichtslose grenzt, sich gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen, solange die Gesetze unklare Vorgaben und damit nur mangelhafte Orientierung bieten.
Die weitere Entwicklung bleibt sicherlich abzuwarten und Hysterie wäre wohl ebenso fehl am Platze wie voreilige Freude auf Seiten der Rechteinhaber. Sollte das Gesetzt es ohne Änderungen durch den Bundesrat schaffen, wird sich zeigen, ob der Markt mit diesem Stück Gesetzgebung umzugehen vermag, das man kaum als großen Wurf bezeichnen kann.