13. November 2013
BGH zur Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage eines Insolvenzschuldners gegen Anmeldung einer als deliktisch qualifizierten Forderung
Der für insolvenzrechtliche Fragen zuständige neunte Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10.10.2013 entschieden, dass ein Insolvenzschuldner die Entscheidung darüber, ob eine zur Insolvenztabelle als deliktisch, d.h. auf einer unerlaubten Handlung beruhend, angemeldete Forderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, im Wege der negativen Feststellungsklage erzwingen kann.
Hintergrund ist die in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person (d.h. nicht einer Gesellschaft) in aller Regel den Verfahrenszweck bildende Restschuldbefreiung. Dem Schuldner werden hierdurch die nach Ablauf der sog. Restschuldbefreiungsphase verbleibenden Schulden erlassen. Voraussetzung ist die Stellung eines Eigenantrages, die Beachtung bestimmter Pflichten bzw. Obliegenheiten des Schuldners für einen festgelegten Zeitraum von 6 Jahren und das Ausbleiben sonstiger Ausschlussgründe.
Eine Möglichkeit für Insolvenzgläubiger, diese Wirkung im Hinblick auf ihre Forderungen zu verhindern, ist die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle mit dem Zusatz „Forderung aus unerlaubter Handlung“. Dieser Zusatz führt, sofern er unwidersprochen bleibt, alsdann bei der Entscheidung über die Restschuldbefreiung dazu, dass diese Forderung hiervon ausgenommen ist.
Der Schuldenr wiederum kann einer solchen Feststellung widersprechen, was entsprechend in der Insolvenztabelle vermerkt wird. Bleibt es dabei, erfasst die Restschuldbefreiung auch die „deliktische“ Forderung. Dem Gläubiger bleibt dann nur die Klage auf Feststellung als „deliktisch begründet“, welche er zwar „alsbald“ erheben soll, für welche er aber grds. bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens Zeit hat.
Ein Zuwarten des Gläubigers kann mit Blick auf die Verfahrenskosten z.B. sinnvoll sein, weil zuerst abgewartet werden soll, wie sich etwa die Erwerbsaussichten des Schuldners entwickeln. Teils bleibt eine sofortige Feststellungsklage des Gläubigers aber auch wegen Überlastung aus, etwa bei Krankenkassen, welche derartige Fälle als Gläubiger bzgl. nicht abgeführter Arbeitsentgeltanteile zu zehntausenden vorliegen haben. Für den Schuldner kann dies teils jahrelanges Warten bedeuten.
Bisher verwies die Rechtsprechung die betroffenen Insolvenzschuldner darauf, dass es ihnen zuzumuten sei, abzuwarten, bis der Gläubiger seinerseits auf Feststellung klage. Der Widerspruch des Schuldners gegen die deliktische Qualifizierung reiche als Schutz zunächst aus. Folglich fehle es für eine negative Feststellungsklage des Schuldners am sog. negativen Feststellungsinteresse.
Dies hat der BGH nun anders entschieden. Der Schuldner habe sehr wohl ein berechtigtes Interesse an einer (endgültiger) Rechtssicherheit im Hinblick auf die Frage, ob eine gegen ihn gerichtete Forderung nun an der Restschuldbefreiung teilnehme oder nicht.
„Für ihn“, so das Urteil wörtlich, „würde es eine erhebliche Härte bedeuten, wenn er erst nach dem Ablauf der Wohlverhaltensperiode erführe, dass eine Forderung, die unter Umständen sogar seine wesentliche Verbindlichkeit ausmacht, von der Restschuldbefreiung ausgenommen wäre. (…) ob der mit der (vollständigen) Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung beabsichtigte wirtschaftliche Neubeginn gelingen kann, ist dagegen regelmäßig von existentieller Bedeutung. Aus Sicht des Gläubigers mag es sinnvoll sein, mit der Erhebung der titelergänzenden Feststellungsklage zuzuwarten, bis abzusehen ist, ob sich der mit dem weiteren Rechtsstreit verbundene zusätzliche Aufwand an Zeit und Kosten lohnt, zumal der Anspruch des Gläubigers auf Feststellung des Rechtsgrundes nicht nach den Vorschriften verjährt, welche für die Verjährung des Leistungsanspruchs gelten (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 – IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 12 ff). Dieses Interesse übersteigt jedoch nicht dasjenige des Schuldners an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage.“
[BGH, Urt. v. 10.10.2013 – Az. IX ZR 30/13]