27. Dezember 2013
BGH zum (widerruflichen) Bezugsrecht für den Todesfall in einer Lebensversicherung
In einem Beschluss vom 10.04.2013 setzte sich der Bundesgerichtshof ein weiteres Mal mit dem sog. Bezugsrecht auf den Todesfall in einer Lebensversicherung auseinander:
Der 2008 verstorbene Versicherte (versicherte Person) hatte seine erste Ehefrau als Bezugsberechtigte für die Todesfallleistung aus seiner Versicherung benannt. Der Lebensversicherer wandte sich nach dem Todesfall an dessen Erbin, die zweite Ehefrau, mit der Frage nach der Adresse der ersten Ehefrau. Diese Frage beantwortete die zweite Ehefrau nicht. Daraufhin fragte der Versicherer beim Einwohnermeldeamt nach der Adresse der ersten Ehefrau. Dieses erteilte dem Versicherer zwar die derzeitige Adresse, nicht aber den neuen Namen der ersten Ehefrau nach deren Wiederverheiratung mit. Zwei Schreiben des Versicherers an die erste Ehefrau kamen mit dem Vermerk „Anschrift nicht zu ermitteln“ zurück. Daraufhin widerrief die zweite Ehefrau den zu Gunsten der ersten Ehefrau erteilten Übermittlungsauftrag der versicherten Person, ihres Mannes, so dass der Versicherer die Todesfallleistung an die zweite Ehefrau als dessen Erbin auszahlte. Die erste Ehefrau war nun der Ansicht, der Versicherer habe seine Pflicht zur Übermittlung des Schenkungsangebots verletzt und verlangte von dem Versicherer Schadensersatz in Höhe der Versicherungssumme.
Das Bezugsrecht für den Todesfall in der Lebens- oder Risikolebensversicherung, siehe hierzu auch die §§ 159, 160 VVG, bereitet immer wieder rechtliche Probleme. Um diese Probleme verstehen zu können, muss man wissen, dass die Todesfallleistung aus einer Lebens- oder Risikolebensversicherung in den Nachlass des Versicherungsnehmers und damit an den oder die Erben fällt. Räumt die versicherte Person einer anderen Person, oft der Ehefrau oder einem Abkömmling, ein (in der Regel widerrufliches) Bezugsrecht für den Todesfall ein, ist diese Erklärung rechtlich als Angebot auf Schenkung der Todesfallleistung anzusehen. Der Bezugsberechtigte erhält durch dieses Bezugsrechtseinräumung kein Forderungsrecht gegen den Versicherer, sondern diese Erklärung enthält den Auftrag an den Versicherer, nach Eintritt seines Todes der bezugsberechtigten Person sein Schenkungsangebot zu überbringen. Dieses Schenkungsangebot muss der Bezugsberechtigte annehmen, damit ein wirksamer Schenkungsvertrag zustande kommt, überweist der Versicherer die Todesfallleistung, ist mit der Annahme der Überweisung die Schenkung wirksam vollzogen.
Der Grund für diese für den Laien nur schwer zu verstehende rechtliche Bewertung ist die Tatsache, dass eine Schenkung nach § 518 Abs. 1 BGB ein Vertrag ist, der zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedarf. Niemand soll sich „einfach“ zu einer Schenkung verpflichten, er soll zum Notar gehen müssen. Wird die Schenkung vollzogen, hier wäre der Vollzug die Überweisung der Versicherungssumme, wird nach § 518 Abs. 2 BGB der Mangel der Form geheilt, die Schenkung also wirksam. (Das Geld bar in die Hand ist also eine wirksame Schenkung).
Zurück zum Bezugsrecht:
Durch die Festlegung des Bezugsrechtes erwirbt der Bezugsberechtigte also noch nichts. Das Schenkungsangebot ist nicht notariell beurkundet und auch nicht vollzogen.
Stirbt die versicherte Person kann der gesetzliche oder testamentarische Erbe dieses Bezugsrecht zwar nicht mehr widerrufen, der Erbe kann aber den dem Versicherer erteilten Auftrag der versicherten Person, das Schenkungsangebot an den Bezugsberechtigten weiterzuleiten, widerrufen mit dem Ergebnis, dass das Bezugsrecht entfällt. Dieser Widerruf des Botenauftrags kann aber nur solange erfolgen als die Schenkung noch nicht vollzogen ist, die Versicherungssumme also nicht ausgezahlt ist. Ist sie vollzogen, bleibt dem Erben keine Möglichkeit mehr, diese Schenkung zu verhindern bzw. rückgängig zu machen.
Für den Fall, dass der Botenauftrag vom Erben widerrufen wird, bleibt dem Bezugsberechtigten nur noch die Prüfung, ob er einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherer hat, wenn z.B. dieser den Botenauftrag der versicherten Person, ihm das Schenkungsangebot zukommen zu lassen, nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat.
In der Rechtsprechung ist es nach wie vor offen, ob der mit der Benennung eines Bezugsberechtigten konkludent erteilte Botenauftrag an den Versicherer zu einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall oder aber zu einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte führt. Diese Frage hat der BGH in seinem Beschluss vom 10.04.2013 ausdrücklich offengelassen und in dem konkreten Fall einen Schadenersatzanspruch schon deswegen verneint, da einer Pflichtverletzung des Versicherers nicht nachgewiesen worden ist.
[BGH, Beschl. v. 10.04.2013 – Az. IV ZR 38/12, veröffentlicht in: r+s 2013, 396]