Lachner von Laufenberg & Partner mbBLachner von Laufenberg & Partner mbB
Mitglied im AnwaltVerein

Verfasser dieser News:

Markus von Laufenberg

Fachanwalt für Versicherungsrecht

5. Juli 2017

Abweichungen im Versicherungsschein vom Versicherungsantrag (§ 5 VVG) insbesondere in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Erster Fall:

Eine Krankenschwester (VN) schloss im Frühjahr 2001 eine BU-Versicherung ab und erhielt von ihrem Versicherer (VR) eine Police, der unter anderem folgende Informationen zu entnehmen sind:

Beginn der Versicherung 01.04.2001, 00:00 Uhr

Ablauf der VersDauer 31.03.2018, 24:00 Uhr

Ablauf der Leistungsdauer 31.03.2018, 24:00 Uhr

Ablauf der Beitragszahlung 31.03.2018, 24:00 Uhr.

Weiterhin heißt es,

„Die VersDauer ist der Zeitraum, innerhalb dessen VersSchutz besteht. Als Leistungsdauer bezeichnen wir hingegen den Zeitpunkt, bis zu dessen Ablauf eine während der VersDauer zuerkannte Berufsunfähigkeitsrente längstens gezahlt wird. Bei dieser Versicherung stimmen Versicherungs- und Leistungsdauer überein ………

Wird die versicherte Person vor Ablauf der VersDauer am 31.03.2018 bedingungsgemäß berufsunfähig, zahlen wir die monatliche Berufsunfähigkeitsrente, solange die versicherte Person lebt und die Berufsunfähigkeit fortbesteht, längstens jedoch bis zum Ablauf der Leistungsdauer am 31.03.2018“.

  • 3 (1) der vereinbarten Versicherungsbedingungen lautet wie folgt:

„Die VersLeistungen erbringen wir während der Dauer einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, solange die versicherte Person lebt, längstens jedoch bis zum Ablauf der Versicherung. Bei Versicherung mit gegenüber der Leistungsdauer abgekürzter VersDauer werden Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Vers. nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit vor Ende der VersDauer erbracht, dann jedoch bis zum Ablauf der Leistungsdauer, sofern die Anspruchsvoraussetzungen weiter bestehen. Ansprüche, die durch Eintritt der Berufsunfähigkeit vor Ablauf der VersDauer entstanden sind, können bis zum Ablauf der Leistungsdauer geltend gemacht werden.“

Im August 2010 wurde die VN berufsunfähig und der VR war bereit, die zugesagte Berufsunfähig-keitsrente bis zum Vertragsende, dem 31.03.2018, zu zahlen. Das reichte der VN aber nicht, denn sie meint, ihr stehe die Rente auch über dieses Datum hinaus zu.

Die VN erhob Klage, sie verlor vor dem Landgericht, dem Oberlandesgericht schien die Rechtslage eindeutig zu sein, so dass es das Berufungsverfahren mit Beschlussverfahren nach     § 522 ZPO zu Lasten der VN beendete.

Der Versicherungsantrag, der der oben ausgeführten Police zugrunde lag, sah an den für diesen Rechtsstreit entscheidenden Stellen wie folgt aus:

Tarif BU

01│042001

 

Versicherungs-

beginn

 

(techn. Beginn)

17 Jahre

 

Versicherungs-

dauer

17 Jahre

 

Leistungs-

dauer

17 Jahre

 

Beitragszahlungs-

dauer

Dabei waren die Datumsangabe “ I0I4I2I0I0I1″ sowie die dreimalige Eintragung der Zahl „17“ handschriftlich von der Antragstellerin (VN) eingefügt. Auf dem Antragsformular hatte sie außerdem quittiert, dass ihr die VersBedingungen und eine Verbraucherinformation ausge-händigt worden seien.

Das OLG begründete seinen die Berufung verwerfenden Beschluss damit, die Versicherungs-bedingungen würden in § 3 (1) Satz 2 ausdrücklich regeln, dass die Versicherungsleistungen längstens bis zum Ablauf der Versicherung erbracht würden, daher sei hier schon bei Antragstellung offensichtlich gewesen, dass die Dauer des Leistungsbezuges auf das Ende der Versicherung begrenzt sei und sich je nach Zeitpunkt des Eintritts einer Berufsunfähigkeit eine kürzere Leistungsdauer als 17 Jahre ergeben könne. Anders als in einem Fall des OLG Karlsruhe (VersR 2009, 1104) entschieden, weiche der Versicherungsschein inhaltlich auch nicht vom Antrag ab, so dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 VVG a.F. nicht vorlägen.

Die VN legte gegen diesen die Berufung zurückweisenden Beschluss des OLG Nichtzulassungs-beschwerde beim Bundesgerichtshof ein und überraschenderweise ließ der BGH die Revision dann auch zu.

Zwei Tage vor der anberaumten Revisionsverhandlung stellte der in zwei Tatsacheninstanzen siegreiche VR die VN mittels eines Anerkenntnisses klaglos, es erging ein Anerkenntnisurteil, die Revisionsverhandlung wurde abgesetzt und der BGH konnte seine Überlegungen zu diesem Sachverhalt nicht mehr in einem Urteil verewigen.

Die Richter am BGH sind aber seit Jahren dazu übergangen, in vielen derartigen Fällen ihre rechtliche Würdigung dennoch dem interessierten Publikum bekannt zu geben, in den Augen der BGH-Richter ist die Vorgehensweise der VR ohnehin ein Ärgernis. So kam es, dass Herr Richter Felsch, Richter am IV. Zivilsenat des BGH, auf der 5. Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht am 10.06.2016 in Baden-Baden und dann auch in der r+s 2016, 321 ff. die Überlegungen des BGH zu diesem Rechtsstreit, zu dem kein Urteil mehr abgesetzt werden konnte, wir folgt darlegte:

Der BGH hätte in diesem Fall der Klägerin(VN) wohl Recht gegeben.

Der IV. Senat hatte nämlich Bedenken dahingehend, dass hier der Inhalt des Versicherungsscheines vom Inhalt des Versicherungsantrages abweicht und der VR – das war unstreitig – bei Übersendung des Versicherungsscheines die Klägerin auf diese Abweichung nicht hingewiesen hatte (§ 5 Abs. 1 und 2 VVG a.F.).

Das hätte dann zur Folge gehabt, dass der Versicherungsvertrag mit dem Inhalt des Versicherungsantrages zustande gekommen ist und sodann der VN bei fortbestehender bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit die versprochenen Rentenleistungen ab Leistungsbeginn (September 2010) ggf. für die Dauer von 17 Jahren zugestanden hätte.

Herr Richter Felsch führt in seinem Vortrag aus, als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung sei der Antrag des VN im Grundsatz objektiv nach Maßgabe des Empfängerhorizonts des VRs als Erklärungsgegner auszulegen. Benutzte der VN allerdings ein vom VR für eine Vielzahl von Anträgen vorformuliertes Antragsformular, sei in entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von AVB umgekehrt danach zu fragen, wie ein um Verständnis bemühter durchschnittlicher VN ohne juristische Vorkenntnisse den Inhalt des Formulars verstehen konnte, wobei es auch auf seine Interessen ankomme.

Bei diesen Maßstäben konnte man durchaus auch davon ausgehen, dass der Versicherungsantrag vielleicht doch nicht lediglich darauf gerichtet war, im Versicherungsfall Leistungen nur bis höchstens zum Ablauf der Vertragsdauer (31.03.2018) zu erhalten. Das Antragsformular sah vor, den Versicherungsbeginn durch Eintrag eines Datums, die Versicherungsdauer und die Leistungsdauer hingegen durch Eintrag der jeweiligen Zahl eines in Jahren bemessenen Zeitraumes festzulegen. Dabei machte die Antragsgestaltung schon durch die jeweils eigenen Spalten deutlich, dass es bei der Versicherungs- und der Leistungsdauer im Grundsatz um zwei unterschiedliche Zeiträume ging.

Unter der „Versicherungsdauer“ werde der durchschnittliche VN die Zeit vom Beginn bis zum Ende des Versicherungsvertrages, mithin den Zeitraum verstehen, für den der VR Versicherungsschutz gegen Prämienzahlung verspricht.

Demgegenüber werde der VN annehmen, die „Leistungsdauer“ sei der Zeitraum zwischen dem Beginn und dem Ende der Leistung.

Da das Antragsformular hier auch keinerlei Einschränkungen der Leistungsdauer etwa Zusätze wie „höchstens“, „längstens“ oder „maximal“ formulierte, weise nichts den VN darauf hin, dass nicht der Eintritt des Versicherungsfalls den Beginn der auf 17 Jahre festgelegten Leistungsdauer bestimme, sondern sich die weitere Leistungszeit während der Vertragslaufzeit kontinuierlich verkürzen und die letzte Prämienzahlung am Ende nur noch die Chance eröffnen sollte, bei Eintritt des Versicherungsfalles im letzten Monat der Vertragslaufzeit eine einmalige Monatsrate der versprochenen Renten zu erhalten.

Der VR könne zwar abweichend sein Leistungsversprechen in der Weise einschränken, dass mit Beendigung des Vertrages jegliche Versicherungsleistung für zuvor eingetretene Versicherungsfälle enden solle. In einem solchen Falle dürfe der durchschnittliche VN aber davon ausgehen, der VR werde dies in einem von ihm vorformulierten Antragsformular deutlich machen und dem Antragsteller damit klar vor Augen führen, dass der beantragte Versicherungsschutz bezüglich der Leistungsdauer von der oben beschriebenen regelmäßigen Erwartung eines durchschnittlichen VN entscheidend abweiche und sich der Versicherungsschutz für während der Vertragslaufzeit später eintretende Versicherungsfälle nur noch auf eine deutlich verkürzte Leistungspflicht erstrecke.

 

Zweiter Fall: OLG Karlsruhe, 20.11.2008, VersR 2009, 1104

Der IV. Senat sah hier also durchaus Parallelen zu dem Fall des OLG Karlsruhe (Urteil vom 20.11.2008), dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

VN beantragte am 12.09.1994 eine Risiko-LV mit einer BUZ. Der Versicherungsschein wurde am 30.09.1994 versandt. Im Versicherungsantrag ist für beide Versicherungen bei den Rubriken „Versicherungsdauer“ und „Beitragszahlungsdauer“ ein Zeitraum von 10 Jahren eingetragen. Außerdem befindet sich unter dem Stichwort „Leistungsdauer Berufsunfähigkeits-zusatzversicherung“ die Angabe „10 Jahre“, wobei die Zahlen jeweils handschriftlich eingefügt sind. Im Versicherungsschein ist als Versicherungs- und Beitragszahlungsende für die Risikolebensversicherung der 01.10.2004 angegeben, für die Berufsunfähigkeitsversicherung heißt es im Versicherungsschein:

Versicherungsbeginn 1.10.1994,

Versicherungsende 1.10.2004,

Beitragszahlungsende: 1.10.2004,

Leistungsende: 1.10.2004.

Im Juli 2003 beantragte der VN Leistungen aus der BUZ. Der VR erbrachte Leistungen aus BUZ für den Zeitraum Juni 2002 bis zum 01.10.2004. In dem Bewilligungsschreiben des VR stellte dieser zunächst fest, dass bei dem VN ab dem 01.06.2002 eine bedingungsgemäße BU vorliegt. Sodann erkannte der VR die Leistungspflicht längstens bis zum Ablauf der Leistungsdauer, „dies ist der 01.10.2004“, an.

Der VN erhob Klage beim Landgericht Mannheim, dieses wies die Klage ab. Die Berufung des VN vor dem OLG Karlsruhe hatte Erfolg:

Das OLG stellte fest, das LG gehe zwar zutreffend davon aus, dass der Versicherungsschein zur Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unzweideutig deren Leistungsende auf den 01.10.2004 festlege. Eine solche Regelung begegne grundsätzlich auch keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.

Sodann kam das OLG Karlsruhe jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Regelung nicht Inhalt des Versicherungsvertrages geworden sei. Nach § 5 VVG a. F. ist der Versicherungsschein für den Inhalt der getroffenen Vereinbarung auch dann maßgebend, wenn er inhaltlich von dem Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen abweicht, der VN aber nicht innerhalb eines Monats widerspricht und er durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dessen übrigen Inhalt hervorgehoben ist, auf die Abweichung hingewiesen worden ist. Gilt dies nicht, so ist der Inhalt des Versicherungsantrages als vereinbart anzusehen.

Sodann arbeitete das OLG aus, dass der Versicherungsschein vom 30.09.1994 entgegen der Auffassung des LG von dem Versicherungsantrag abweiche. Im Versicherungsantrag findet sich in der Rubrik „Leistungsdauer der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung“ ein handschriftlicher Eintrag „10“ vor „Jahre“. Dies sei für den um Verständnis bemühten durchschnittlichen VN so zu verstehen, dass er bei Eintritt des Versicherungsfalles auch tatsächlich 10 Jahre lang Leistungen erhalte.

Ohne einen erläuternden Hinweis könne ein durchschnittlicher VN die Laufzeitangaben im Antragsformular nur so auslegen, dass zwar der Eintritt der Berufsunfähigkeit nach dem Ende der Versicherungsdauer keine Ansprüche mehr begründen kann, dass aber – sollte der Versicherungsfall während der Vertragslaufzeit eintreten – auch über die vereinbarte Versicherungszeit hinaus Leistungen erbracht werden.

Der BGH hätte den VR hier verurteilt, der in diesem Fall betroffene VR hat dies wohl auch geahnt, denn sonst hätte er die Klägerin nicht klaglos gestellt und damit eine Begründung des BGH verhindert.

 

3. Fall:

Folgenden Fall haben wir in diesem Jahr außergerichtlich bearbeitet:

Antrag auf Abschluss einer Risiko-Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, Rente 2.000,00 DM, Versicherungsdauer 20 Jahre. Versicherungsbeginn 01.12.1998.

Versicherungsschein:

Zur Risiko-LV:

Beginn der Versicherung:     01.12.1998

Ablauf der Versicherung:     01.12.2018

Ablauf der Beitragszahlung: 01.12.2018

Zur BUZ:

Beginn der Versicherung:      01.12.1998

Ablauf der Versicherung:      01.12.2018

Ablauf der Beitragszahlung:  01.12.2018

versicherte monatliche Rente: 2.000,00 DM.

Gibt es bis dahin ein Problem? Wohl nicht, aber der Fall hat seine Besonderheit:

Dem Antrag lag ein von dem VR ausgearbeiteter schriftlicher Vorschlag zugrunde, in dem es hieß:

Die Versicherungs- und Beitragszahlungsdauer beträgt für die Risiko-Lebensversicherung 20 Jahre, für die BUZV 20 Jahre. Die Leistungsdauer für die BUZV beträgt 20 Jahre.

Der VR hat, mit diesem Vorschlag von uns in einem außergerichtlich sdchreiben unter Hinweis auf die Ausführungen von Felsch in r+s 2016, 321 ff konfrontiert, dem von uns vertretenen VN eine Zahlung der BU-Leistungen für die Dauer von 20 Jahren zugesagt.

 

Fazit: 

Es kann sich lohnen, den Antrag und den Versicherungsschein zu einer BU-Versicherung einem erfahrenen Fachanwalt für Versicherungsrecht zur Prüfung der Leistungsdauer vorzulegen.