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Verfasser dieser News:

Markus von Laufenberg

Fachanwalt für Versicherungsrecht

8. Oktober 2013

LG Berlin (gegen LG Potsdam) zum Übergangsrecht bei Obliegenheitsverletzungen in sog. Altfällen

Die versicherungsrechtliche Rechtsprechung muss sich nach wie vor mit der Frage auseinandersetzen, welches Recht  (das neue Versicherungsvertragsgesetz = VVG mit Wirkung ab dem 01.01.2008 oder das bis dahin geltende alte VVG) auf sog. Altfälle anzuwenden ist. Altfälle sind dabei alle vor dem 01.01.2008 abgeschlossenen Versicherungsverträge.

U.a. im Rahmen der sog. Obliegenheiten, also der vom Versicherungsnehmer gesetzlich oder vertraglich zu erfüllenden Nebenpflichten, kann dies von entscheidender Bedeutung sein, da das neue Recht die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung anders  (versicherungsnehmerfreundlicher) regelt, als das alte Recht.

Das LG Berlin hatte im August diesen Jahres  die Frage zu beantworten, welches Recht bei einem Altvertrag (Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung vor dem 01.01.2008) und einem Eintritt des Versicherungsfalles (Eintritt der Berufsunfähigkeit) vor dem 01.01.2009 anzuwenden ist (zur Bedeutung dieses Stichtags s. die weiteren Ausführungen). Der Versicherungsnehmer verweigerte im Rahmen einer Nachprüfung seiner Berufsunfähigkeit seine Mitwirkung, was nach den alten Versicherungsbedingungen (und dem alten Obliegenheitsrecht) zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führte. Im Prozess verteidigte er sich u.a. mit dem Hinweis, es gebe gar keine wirksam vertraglich vereinbarte Obliegenheit zur Mitwirkung, da das neue Recht (u.a. § 28 VVG) anzuwenden sei, wonach die alten Regelungen unwirksam wären.

Das LG Berlin entschied entgegen LG Potsdam (Urt. v. 12.12.2012 – 2 O 223/12, VersR 2013, 1034), dass in diesen Fällen nach wie vor das alte Obliegenheitsrecht anzuwenden ist, da dieser Fall nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG eindeutig geregelt sei:

Art. 1 Altverträge, Allgemeine Versicherungsbedingungen
(1) Auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) am 1. Januar 2008 entstanden sind (Altverträge), ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis dahin geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2008 anzuwenden, soweit in Absatz 2 und den Artikeln 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist.
(2) Ist bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten, ist insoweit das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

Das LG Berlin sah entgegen LG Potsdam keinen Grund, diese vom Wortlaut her eindeutige Regelung u.a. unter Hinweis auf das Ziel der VVG-Reform, die Rechtstellung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer zu stärken, einschränkend auszulegen, da der Wortlaut in Art. 1 Abs. 1 und 2. EGVVG nun einmal eindeutig und ein demgegenüber eingeschränkter Wille des Gesetzgebers nicht festzustellen sei.

Die Argumentation der 23. Kammer des LG Berlin (wohl unter Vorsitz von Herrn Dr. Marlow) ist aus unserer Sicht zutreffend (so auch: Grams, Urteilsanmerkung FD-VersR 2013, 350862; Hoenicke, Anmerkung zum Urt. des LG Potsdam in r+s 2013, 140; Mertens, Anmerkung zum Urt. des LG Potsdam in VersR 2013, 1034). Es bleibt aber abzuwarten, wie diese Frage in den nächsten Instanzen beantwortet wird.

[LG Berlin, Urt. v. 14.08.2013 – Az. 23 O 298/11, veröffentlicht in: BeckRS 2013, 16415]