18. Juni 2014
OLG Stuttgart zur Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel in den Versicherungsbedingungen eines Kfz-Haftpflichtversicherers
In vielen Kfz-Haftplichtversicherungen werden Beitragsermäßigungen z.B. für eine maximale Jahresfahrleistung, für die Unterbringung des Pkw in einer Garage oder in einem Parkhaus oder aus anderen Gründen vereinbart.
Das OLG Stuttgart hatte sich mit einem Vertrag zu befassen, in dem der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer eine Beitragsermäßigung für eine maximale Jahresfahrleistung von 9.000 km vereinbart hatte. In den Versicherungsbedingungen war geregelt, dass sich der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Versicherer unverzüglich zu melden, wenn sich während der Laufzeit des Vertrages für die Beitragsberechnung relevante Umstände (hier die Fahrleistung) änderten. In den Bedingungen wurde auch auf die Vorschriften im VVG zur Gefahrerhöhung (§§ 16 – 30 VVG) verwiesen. Schuldhaft unrichtige Angaben oder aber schuldhaft unterlassene Angaben sollte den Versicherer berechtigen, ab Beginn der Versicherungsperiode, in der die Änderung erfolgte, den Beitrag neu zu berechnen und nachzuerheben. Daneben sollte der Versicherer berechtigt sein, statt seiner gesetzlichen Rechte auf Rücktritt oder Kündigung eine Vertragsstrafe in Höhe des neu berechneten Jahresbeitrags zu verlangen.
Im konkreten Fall hatte der Versicherungsnehmer anstelle der vereinbarten maximalen Jahresfahrleistung von 9.000 km durchschnittlich ca. 32.000 km Fahrleistung im Jahr zurückgelegt. Der Versicherer stellte dies nach mehreren Jahren fest und verlangte zusätzlich zu höheren Beiträgen von dem Versicherungsnehmer eine Vertragsstrafe in Höhe einer Jahresprämie.
Das OLG Stuttgart war der Ansicht, dass diese Vertragsstrafenklausel den durchschnittlichen Versicherungsnehmer unangemessen entgegen dem Gebot von Treu und Glauben benachteiligt und deshalb unwirksam ist (§§ 307 Abs. 1 S.1, 2 Nr. 1, 306 Abs. 1 BGB).
Das OLG führte zunächst aus, dass Prämienanpassungsklauseln bei unterlassenen Angaben bezüglich der tatsächlichen Merkmale zur Beitragsberechnung im Grundsatz bei schuldhaften Verstößen zulässig sind. Das gilt auch für Vertragsstrafen, jedenfalls bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Anzeigepflicht.
Das OLG problematisierte sodann aber, dass in dem Bedingungswerk des Versicherers auch ein Rückgriff auf die Vorschriften des VVG zur Gefahrerhöhung (§§ 16 – 30 VVG) vorgesehen war.
Im Rahmen der Vorschriften zur Anzeigepflichtverletzung und zur Gefahrerhöhung würde dem Versicherungsnehmer die harte Strafe der vollständigen Leistungsfreiheit nach den §§ 19 Abs. 2, 21 Abs. 2 und 26 VVG drohen. Dies sei aber von den Versicherern mit derartigen Klauseln nicht gewollt und würde dem besonderen Charakter der Tarifmerkmale auch nicht gerecht werden.
Das OLG diskutierte sodann die in der Literatur umstrittene Frage, in welchem Umfange eine Vertragsstrafe neben den Regelungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht und Gefahrerhöhung zuzulassen ist. An dieser Stelle ist von Bedeutung, dass der Gesetzgeber in § 32 VVG eine Abweichung von diesen gesetzlichen Regelungen zum Nachteil der Versicherungsnehmer verboten hat, es handelt sich um sog. halbzwingende Regelungen.
Unter Würdigung der verschiedenen Ansichten kam das OLG Stuttgart sodann zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers vorlag, da sich aus den verwendeten Versicherungsbedingungen nicht eindeutig ergab, ob der Versicherer unter Vereinbarung der möglichen Vertragsstrafe auf die gesetzlichen Vorschriften bei Gefahrerhöhung verzichten wolle.
Da aber Zweifel bei Mehrdeutigkeit gem. § 305 c Abs. 2 BGG zu Lasten des Klauselverwenders (hier der Versicherers) gehen, sei die Vertragstarfenklausel unwirksam und damit im vorliegenden Fall nicht anwendbar mit der Folge, dass der betroffene Versicherungsnehmer nicht zur Zahlung der Vertragsstrafe herangezogen werden konnte.
Ob die Vertragsstrafenklausel nicht auch unverhältnismäßig hoch im Sinne des § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB und zudem gem. §§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, 306 Abs. 1 BGB unwirksam ist, da auch im Falle einer leicht fahrlässigen Nichtanzeige nach dem Wortlaut der Bedingung die Verhängung einer Vertragsstrafe möglich war, ließ das OLG (offen Hierfür spricht Einiges).
Das Urteil zeigt, dass jedem Versicherungsnehmer anzuraten ist, vor der Zahlung einer vom Versichere geforderten Vertragsstrafe, deren Wirksamkeit überprüfen zu lassen.
[OLG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2013 – Az. 7 U 33/13, veröffentlicht in: VersR 2013, 1528]