27. Oktober 2014
LG Berlin zur unwirksamen Befristung eines Leistungsanerkenntnisses bei Berufsunfähigkeit gemäß § 173 Abs. 2 VVG n.F.
Die Befristung nach § 173 Abs. 2 VVG in seiner neuen Fassung seit dem 01.01.2008 birgt nach wie vor nicht geklärte Rechtsfragen (vgl. unsere News vom 13.07.2013).
Das LG Berlin hatte sich nunmehr mit der Frage zu befassen, ob ein Berufsunfähigkeits-Versicherer, der in seinen Allgemeinen Bedingungen (AVB) keine Befristungsmöglichkeit für ein Erstanerkenntnis des Leistungsanspruchs des Versicherungsnehmers vorsah, eine Befristung nach § 173 Abs. 2 VVG vornehmen konnte. In diesem Fall hatte der Versicherer unter Berufung auf diese Vorschrift im April 2011 gegenüber dem Versicherungsnehmer seine Leistungspflicht für die Zeit vom 01.10.2009 bis zum 31.01.2011 anerkannt. Es handelt sich um einen sog. Altvertrag, d.h. um einen Versicherungsvertrag, der vor dem 01.01.2008 abgeschlossen worden ist.
Der Versicherungsnehmer wehrte sich gegen diese Befristung des Leistungsanerkenntnisses und berief sich darauf, dass in den AVB eben keine Befristungsmöglichkeit vereinbart war. Der Versicherer berief sich auf § 173 Abs. 2 VVG, wo Folgendes geregelt ist:
Das Anerkenntnis darf nur einmal zeitlich begrenzt werden. Es ist bis zum Ablauf der Frist bindend.
Der Versicherer unterlag vor dem LG Berlin. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass sich der Versicherer nicht auf diese Vorschrift berufen konnte. § 173 Abs. 2 VVG beträfe nur Befristungen, die sich in die Zukunft erstrecken, nicht aber auch in der Vergangenheit abgeschlossene Zeiträume. Das LG Berlin beruft sich insoweit auf die Regierungsbegründung zu § 173 VVG-E (BT-Druck. 16 3945 S. 105 f.), dass § 173 Abs. 2 VVG den Zweck habe, „in zweifelhaften Fällen bis zu einer abschließenden Klärung zunächst eine vorläufige Entscheidung zu ermöglichen“. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift sei damit eine in die Zukunft gerichtete Unsicherheit im Hinblick auf die Leistungspflicht. Eine derartige Situation habe aber im vorliegenden Fall nicht vorgelegen, da der Versicherer der Meinung war, auf einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit eine Leistungspflicht begrenzen zu können.
Somit war die von dem Versicherer gewollte Befristung unwirksam mit der Folge, dass dieser nach den Regelungen des Nachprüfungsverfahrens nunmehr beweisen musste, dass sich der Gesundheitszustand der versicherten berufsunfähigen Person mittlerweile gebessert hat. Insoweit sind im Nachprüfungsverfahren die Hürden für den Versicherer höher als im Erstprüfungsverfahren, so dass der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall letztendlich obsiegt hat.
Dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des LG Berlin sind auch noch einige Sätze zu der Problematik zu entnehmen, welche Maßnahmen eine gegen BU versicherte Person vornehmen muss, um eine Berufsunfähigkeit zu verhindern. Das OLG Saarbrücken hat in einem Urteil vom 23.07.2004 (VersR 2005, 63) entschieden, dass ein Versicherter keine Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung verlangen kann, wenn er seine Krankheit durch eine einfache, gefahrlose und nicht mit besonderen Schmerzen verbundene, sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung versprechender Maßnahme durchführen kann.
Im fraglichen Fall ging es darum, ob die Versicherte eine ihr empfohlene Psychotherapie durchführen müsse. Hierzu führte das LG Berlin an, dass nach der Rechtsprechung des OLG Saarbrücken diese Mitwirkungsobliegenheit der versicherten Person nur auf Fälle eines erstmaligen Leistungsbegehrens eines Versicherten besteht, ausdrücklich jedoch nicht im Falle des Nachprüfungsverfahrens bestehe, weil weder vertragliche noch gesetzliche Vorschriften existieren, aus denen sich eine Verpflichtung des VN zur Durchführung von Maßnahmen zum Zwecke der Beendigung eines bereits eingetretenen Versicherungsfalles entnehmen ließen (vgl. OLG Saarbrücken, 17.10.2006, VersR 2007, 635).
[LG Berlin, Urt. v. 19.03.2014 – Az. 23 O 87/12, veröffentlicht in: VersR 2014, 1197]