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Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

27. Juli 2015

OLG Frankfurt/M.: Wird die unstrittig geschuldete Räumung einer Mietwohnung von Mieterlass und weiteren Zahlungen abhängig gemacht, kann dies den Tatbestand einer Erpressung erfüllen

Der Mieter und sein Anwalt haften dem Vermieter gemeinsam auf Schadensersatz, wenn die unstreitig geschuldete Verpflichtung zur Räumung einer Wohnung ernsthaft von dem Erlass von Mietschulden und/oder Zahlungen des Vermieters abhängig gemacht wird.

Im Urteilsfall hatte eine Mieterin von ihrem Vermieter eine fristlose Kündigung erhalten, die unstreitig berechtigt war. Die Mieterin hätte mithin ausziehen und die Wohnung räumen müssen. Stattdessen machte sie, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, die Räumung davon abhängig, dass der Vermieter auf sämtliche offenen Mietforderungen verzichte und sich zudem verpflichte, die geleistete Mietkaution und die seinerzeit von der Mieterin gezahlte Maklerprovision zu erstatten. Anspruch auf solche Zahlungen bestand nicht.

Um nicht einen gegebenenfalls langen Räumungsprozess führen zu müssen, entschied sich der Vermieter, an die Mieterin einen Betrag von 8.050,00 € zu zahlen, die nach Erhalt des Betrages auszog. In der Folge verklagte der Vermieter zunächst die Mieterin – erfolgreich – auf Schadensersatz, im Anschluss daran erhob er auch Klage gegen den Anwalt der Mieterin auf Zahlung des nämlichen Schadensersatzbetrags (als Gesamtschuldner). Das Landgericht Frankfurt a. M. entschied zu Gunsten des Vermieters.

Die Berufung des Anwalts gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. stellt in den Urteilsgründen klar, dass das Verlangen der Mieterin nach Forderungserlass und Zahlungen des Vermieters für die Erfüllung einer unstreitig bestehenden Räumungsverpflichtung eine Erpressung im Sinne von § 253 Strafgesetzbuch sein könne und im Urteilsfall diesen Tatbestand auch erfülle. Das für die Erfüllung des Tatbestands der Erpressung erforderliche „drohen mit einem empfindlichen Übel“ bestehe in der konkludent erklärten Weigerung der Mieterin, eine freiwillige Räumung durchzuführen und so den Vermieter zu einem wohlmöglich langdauernden Räumungsprozess zu zwingen, während dessen Dauer weitere erhebliche Mietverbindlichkeiten auflaufen würden. Die Möglichkeit des Vermieters, sich ein Räumungsurteil zu erstreiten und anschließend die Zwangsräumung zu betreiben, habe die Zwangslage des Vermieters nicht aufgehoben. Denn ein solcher Räumungsrechtsstreit dauere mindestens mehrere Monate, bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die erstinstanzliche Verurteilung auch erheblich länger. Die Mieterin hafte daher auf Schadensersatz in Form der Rückzahlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 553 StGB sowie gemäß § 826 BGB (sog. sittenwidrige Schädigung).

Der Anwalt der Mieterin, der aufgrund seiner Tätigkeit über sämtliche relevanten Umstände des Falles informiert gewesen sei und die Mieterin bei den Verhandlungen mit dem Vermieter aktiv umfassend anwaltlich vertreten habe, hafte als Gesamtschuldner neben der Mieterin. Denn zu der Erpressung der Mieterin habe er vorsätzlich Hilfe geleistet. Es habe ihm freigestanden, die Unterstützung der Mieterin bei ihrer Erpressung zu unterlassen und sich auf eine zulässige anwaltliche Vertretung zu beschränken.

Der Urteilsfall zeigt auch, dass man als Anwalt mitunter gut beraten ist, nicht kritiklos die Sache des Mandanten zur eigenen Sache zu machen.

[OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 10.06.2015 – Az. 2 U 201/14 (zitiert nach RA-Online)]