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Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

13. August 2015

BGH zum Beseitigungsanspruch des Grundeigentümers bei Verschattung eines Grundstücks durch hohe Bäume

Die weitgehende Verschattung eines Südgrundstücks durch hohe Bäume des Nachbarn ist in der Regel hinzunehmen, wenn die Abstandsvorschriften des Nachbarrechtsgesetzes NRW eingehalten werden.

Der Eigentümer eines verschatteten, nach Süden ausgerichteten Grundstücks mit Garten kann vom Eigentümer des Nachbargrundstücks nach § 1004 BGB in der Regel nicht die Beseitigung der Schatten verursachenden hohen Bäume verlangen, die als Teil einer öffentlichen Grünanlage in einem Abstand um rund 10 m von der Grenze des Grundstücks des klagenden Nachbarn entfernt stehen.

Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das Eigentum des Klägers beeinträchtigt wird. Daran fehlt es in der Regel, wenn eine Benutzung des Nachbargrundstücks in dessen räumlichen Grenzen erfolgt, keine nach § 906 Abs. 2 BGB unzumutbaren Immissionen auf das Grundstück des Klägers ausstrahlen und wenn Baumwuchs auf dem Nachbargrundstück die nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 a NachbG NRW vorgesehenen Abstände einhält. Liegen die Verhältnisse so, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die beanstandete Nutzung auf dem Nachbargrundstück vom Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt ist.

Nur Ausnahmsweise, in seltenen Ausnahmefällen, kann aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ein Beseitigungsanspruch hergeleitet werden. Bezogen auf Baumwuchs auf dem Nachbargrundstück setzt ein solcher Beseitigungsanspruch voraus, dass der klagende Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt ist. Im Urteilsfall hatte das OLG Hamm als Berufungsgericht dies geprüft und festgestellt, dass die Bepflanzung den Klägern noch zuzumuten sei, weil es an einer ganzjährigen vollständigen Verschattung der Gartenfläche fehle. Zudem sei bei der erforderlichen Abwägung auch zu berücksichtigen, dass der nach Nachbarrechtsgesetz NRW vorgeschriebene Abstand der Bäume um mehr als das Doppelte überschritten war und die streitbefangenen Bäum Teil einer öffentlichen Grünanlage sind; Grünanlagen würden zum Zwecke der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsgebietes und als Rückzugsort für Tiere unterhalten, darin sollten gerade auch große Bäume enthalten sein, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kaum Raum sei. Im Ergebnis sei die damit einhergehende Verschattung des klägerischen Grundstücks Ausdruck der Situationsgebundenheit des klägerischen Grundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage gelegen sei.

Praxistipp: Der Eigentümer eines Grundstücks, der von noch jungem Baumbewuchs auf dem Nachbargrundstück zukünftig Nachteile in Form von Verschattungen befürchten muss, sollte frühzeitig prüfen, ob die von seinem Nachbarn gesetzten Bäume die nach Nachbarrechtsgesetz NRW erforderlichen Abstände zur Grundstücksgrenze einhalten. Das Gesetz unterscheidet zwischen hochwachsenden und anderen Bäumen und Sträuchern und sieht Abstände zwischen 2m und 4m vor. Mit Ziersträuchern ist je nach Stärke des Wachstums ein Abstand von 0,50 bis 1,0 m einzuhalten. Der Anspruch auf Beseitigung einer Anpflanzung, mit der ein geringerer als der vorgeschriebene Abstand eingehalten wird, ist ausgeschlossen, wenn der Nachbar nicht binnen 6 Jahre nach dem Anpflanzen Klage auf Beseitigung erhoben hat (§ 47 NachbG NRW). Die Abstandsvorschriften und der Beseitigungsanspruch gelten auch für „wilden“ Bewuchs, der nicht vom Nachbarn gezielt gesetzt worden ist. Wird für eine Anpflanzung, die die Abstandsvorschriften nicht einhält, eine Ersatzanpflanzung vorgenommen, dann sind wieder die Abstandsvorschriften zu beachten, auch wenn zuvor die Sechsjahresfrist gemäß § 47 NachbG NRW überschritten war.

Im Übrigen gilt, dass ein frühzeitig mit dem Nachbarn freundlich geführtes Gespräch auch in Fällen, in denen an sich eine Duldungspflicht besteht, eher hilfreich ist als ein Schreiben des Anwalts, das nicht selten das nachbarliche Verhältnis erheblich belastet, zumal wenn es nicht mit der gebotenen Zurückhaltung formuliert ist.

[BGH, Pressemitteilung Nr. 116/2015, Urt. v. 10.07.2015 – Az. V ZR 229/14]