Lachner von Laufenberg & Partner mbBLachner von Laufenberg & Partner mbB
Mitglied im AnwaltVerein

Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

3. August 2015

Erlöschen einer gesellschaftsvertraglichen Verlustausgleichsverpflichtung von GmbH-Gesellschaftern nach Insolvenzeröffnung?

Der Fall: An einer Trägergesellschaft in Form einer GmbH, die ein Technologiezentrum errichtet hatte, waren u.a. ein Landkreis, eine Gemeinde sowie eine weitere GmbH beteiligt, die – ebenso wie die Trägergesellschaft – im Jahre 2011 in Insolvenz fiel.

Aus einem regionalen Förderprogramm zum Zwecke der Förderung der Infrastruktur hatte die Trägergesellschaft nach ihrer Gründung im Jahr 2001 mehr 6,5 Mio. Euro Fördergelder erhalten. Das Technologiezentrum entwickelte sich defizitär, die Trägergesellschaft meldete im Jahr 2011 Insolvenz an und stellte ihren Betrieb ein. Das hatte zur Folge hatte, dass Fördermittel in Höhe eines Betrags von mehr als 7,7 Mio. Euro zuzüglich weiterer Zinsen zurückgefordert wurden. Nachdem der letzte Jahresabschluss der Trägergesellschaft vorlag, forderte der Insolvenzverwalter von dem Landkreis und der Gemeinde gemäß §§ 13 und 14 des Gesellschaftsvertrages (darin sind Verlustausgleichs- und Kapitalausstattungsverpflichtungen der Gesellschafter geregelt) 8,2 Mio. € Euro zum Ausgleich der Verluste der Gesellschaft.

Die Entscheidung: Das OLG weist die Klage des Insolvenzverwalters ab. Auf die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über den Verlustausgleich und die Kapitalausstattung durch die Gesellschafter kann der Insolvenzverwalter die Klageansprüche nicht stützen.

Der in § 13 des Gesellschaftsvertrags geregelte Verlustausgleichsanspruch begründet, so das OLG, eine Bilanzposition der Gesellschaft auf der Aktivseite der Bilanz, die einen sonst auszuweisenden Jahresfehlbetrag (also einen fiktiven Jahresfehlbetrag) ausgleichen soll. Sie verfolgt damit den Zweck, eine bilanzielle Überschuldung der Gesellschaft zu verhindern. Der Gesellschaftsvertrag regle nicht, ob ein entsprechender Anspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft geltend gemacht werden könne.

Auch aus § 14 des Gesellschaftsvertrags ergibt sich – so das OLG – nicht ausdrücklich, ob der Anspruch der Gesellschaft auf Bereitstellung der zum Zwecke der fortlaufenden Aufgabenverwirklichung erforderlichen Mittel durch die Gesellschafter ggfs. auch noch nach Insolvenzeröffnung entstehen soll.

Die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen seien daher nach Auffassung des OLG lückenhaft. Diese Lücken könnten aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Insbesondere in § 14 des Gesellschaftsvertrages über die Bereitstellung von finanziellen Mitteln seitens der Gesellschafter sei ausdrücklich bestimmt, dass die Mittelzuführung „ … zur Erfüllung der Aufgaben der Gesellschaft …“ erfolge. Zweck des § 14 sei mithin die Sicherung der Aufgabenverwirklichung durch zeitgerechtes Zuführen benötigter finanzieller Mittel. Dieser Zweck könne ersichtlich nicht mehr erreicht werden, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufgelöst, also in das Abwicklungsstadium überführt sei.

Nichts anderes gelte, so meint das OLG, im Ergebnis auch für die Verpflichtung der Gesellschafter zum Verlustausgleich aus § 13 des Gesellschaftsvertrags. Aus Sicht der Gesellschafter mache der Ausgleich eines fiktiven Jahresfehlbetrages mit dem Zweck, eine bilanzielle Überschuldung der GmbH zu verhindern, keinen Sinn mehr, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist. Ein Gesellschafter habe von der Übernahme von Verlusten einer bereits in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft weder unmittelbare noch mittelbare wirtschaftliche Vorteile mehr. Die mit der Verlustübernahme verfolgte Stärkung der Gesellschaft und die daraus resultierende Verbesserung der über die Mitgliedschaft in der Gesellschaft vermittelten Vermögenslage könne nicht mehr erreicht werden.

Demgegenüber fehlten jedwede Anhaltspunkte für die Annahme, die Gesellschafter sollten auch im Falle eines Insolvenzverfahrens verpflichtet sein, Jahresfehlbeträge auszugleichen. Immerhin hätten die Gesellschafter gerade eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt, um eine unbeschränkte Einstandspflicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu vermeiden. Ihre Einstandspflicht gegenüber Gläubigern der Gesellschaft habe sich auf ihre Einlage als Gesellschafter beschränken sollen.

Anmerkung: Nach dem aus einer Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts entnommenen, sehr kurzen Sachverhalt, in dem auch die Klauseln der §§ 13 und 14 der Satzung der Gesellschaft nicht vollständig mitgeteilt sind, scheint das Urteil zutreffend zu sein. Insbesondere der in den Urteilsgründen zitierte Auszug aus § 14 des Gesellschaftsvertrags, wonach die Gesellschafter zur zeitgerechten Bereitstellung von Mitteln „ … zur Erfüllung der Aufgaben der Gesellschaft … “ verpflichtet seien, spricht dafür, dass der entsprechende Mittelzuführungsanspruch der Gesellschaft nur solange Geltung beanspruchen soll, als noch eine werbende Gesellschaft (das OLG spricht von einer Ausrichtung des Anspruchs auf eine „lebende“ Gesellschaft) vorhanden ist.

In dem entschiedenen Fall war es so, dass der Bescheid über die Rückforderung der Fördermittel erst erging, nachdem die Gesellschaft Insolvenz angemeldet und ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte. Selbst wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Rückforderungsbescheide das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet gewesen sein sollte (dies ist der Pressemitteilung des Gerichts nicht zu entnehmen), wird man argumentieren dürfen, dass zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit endgültig eingestellt hatte, während die formelle Überführung der Gesellschaft in das Liquidationsstadium erst mit Rechtskraft des Eröffnungs-beschlusses erfolgte.

Praxistipp: Verlustdeckungs- beziehungsweise Verlustausgleichsverpflichtungen (oder allgemein formuliert: Nachschusspflichten) der Gesellschafter werden selten in den Gesellschaftsvertrag einer GmbH aufgenommen. Insbesondere wenn solche Nachschusspflichten nicht eng begrenzt sind, kann dies für die Gesellschafter zu einem unkontrollierbaren Risiko werden. Die Gesellschafter haben sich für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung typischerweise gerade deshalb entschlossen, weil sie nur mit einer bestimmten von vorneherein feststehenden Einlage haften, nicht aber weiteren Ansprüchen der Gesellschaft, des Insolvenzverwalters oder der Gläubiger der Gesellschaft ausgesetzt sein wollen.

Lässt sich die Aufnahme sogenannter Nachschusspflichten in den Gesellschaftsvertrag im Einzelfall aus bestimmten Gründen nicht vermeiden, so sollten die Gesellschafter beziehungsweise ihre rechtlichen Berater – dies lehrt der Urteilsfall – akribisch darauf achten, dass die entsprechenden Nachschusspflichten der Gesellschafter im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Gesellschaft nicht mehr gelten. Die Regelung muss allerdings so ausgestaltet sein, dass eine – zweckwidrige – Benachteiligung der Insolvenzgläubiger vermieden wird. Es darf mithin nicht vereinbart werden, dass eine bereits entstandene Nachschusspflicht im Falle der Insolvenz der Gesellschaft erlöschen soll. Vielmehr ist vorzusehen, dass die gesellschaftsvertragliche Nachschusspflicht nicht mehr entstehen kann, wenn die Gesellschaft (durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) vom werbenden Stadium in das Abwicklungsstadium überführt worden ist. Bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Ansprüche auf Nachschüsse (Verlustausgleich, Verhinderung des Entstehens von Verlusten durch Einräumung eines Anspruchs auf Mittelzuführung) dürfen mit Eröffnung des Insolvenzerfahrens nicht entfallen (erlöschen). Anderenfalls könnten sich die Gesellschafter, die es leid geworden sind, Mittel zum Zwecke des Verlustausgleichs beziehungsweise zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, sich ihrer diesbezüglichen Verpflichtungen entledigen, indem sie die Erfüllung ihrer Nachschusspflichten verweigern, die Gesellschaft dadurch insolvent machen und sich alsdann auf das Erlöschen der Ansprüche durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens berufen.

[Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 29.04.2015 – Az. 9 U 132/13]