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Verfasser dieser News:

Lothar Lachner

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

12. April 2018

OLG Hamm: Überraschende Ansichten zur zulässigen Höhe einer in Auftraggeber-AGB vereinbarten Vertragsstrafe und zur Beweislast für das Verschulden des Auftragnehmers

1.
Eine Vertragsstrafe in AGB des Auftraggebers, die den Bauunternehmer für den Verzugsfall zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1 % je angefangener Kalenderwoche, höchstens von 5 % der Auftragssumme verpflichtet, soll wirksam sein.

2.
Verschieben die Parteien des Bauvertrags einen Fertigstellungstermin einvernehmlich auf ein anderes Datum, bezieht sich die Vertragsstrafe nur dann auf den neuen Fertigstellungstermin, wenn sie auch für den verschobenen Termin vereinbart worden ist. Letzteres kann auch dadurch geschehen, dass in der Vereinbarung über die Verschiebung des Fertigstellungstermins ergänzend auf die Bestimmungen des Ursprungsvertrages Bezug genommen wird.

3.
Aus der vertraglichen Formulierung „Wird die vereinbarte Fertigstellungsfrist aus Gründen, die der AN zu vertreten hat, überschritten (…)“ soll zu folgern sein, dass die Beweislast für das Verschulden des Verzuges mit der Fertigstellung den Auftraggeber trifft.

OLG Hamm, Urt. v. 12.07.2017 – Az. I-12 U 156/16; zitiert aus NJW 2018, S. 1027 ff.

1.
In der genannten Entscheidung vertritt das OLG Hamm die Auffassung, die in AGB des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafe in Höhe von 1 % pro angefangener Kalenderwoche mit Deckelung auf max. 5 % der Auftragssumme sei wirksam.

Das erscheint zweifelhaft. Denn eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 % der Auftragssumme könnte der Auftragnehmer dann schon bei Fertigstellungsverzug von nur einem Tag schulden.

Nach Auffassung des OLG Hamm ist die Regelung unkritisch, weil die in AGB des Auftraggebers maximal zulässige Vertragsstrafe in Höhe von 5 % der Auftragssumme erst nach 29 Kalendertagen erreicht sei, während sie nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 06.12.2012, NJW 2013, 1362) bereits nach 17 Werktagen Verzuges erreicht werde.

2.
In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung geht auch das OLG Hamm davon aus, dass sich eine vereinbarte Vertragsstrafe auf einen einvernehmlich verschobenen, also neuen vereinbarten Fertigstellungstermin, nur dann erstreckt, wenn dies ausdrücklich anlässlich der Verschiebung so vereinbart worden ist oder wenn anlässlich der Verschiebung des Fertigstellungstermins darauf verwiesen wird, dass die Bestimmungen des Bauvertrages im Übrigen unverändert fortgelten sollen.

Nach wohl herrschender Meinung genügt es im Falle des einvernehmlichen Verschiebens des Fertigstellungstermins für die Anwendbarkeit einer Vertragsstrafenregelung im ursprünglichen Bauvertrag auch bereits, dass die Vertragsstrafenregelung terminneutral formuliert war und in der späteren Vereinbarung über die Terminverschiebung zumindest die Fortgeltung der vertraglichen Regelungen „im Übrigen“ festgelegt wird.

Allerdings gelten die vorstehenden Grundsätze nach der Rechtsprechung dann in der Regel nicht, wenn vom Auftraggeber verursachte Behinderungen zu einer „durchgreifenden Neuordnung der Terminplanung“ führen. In diesem Fall verliert die ursprüngliche Vertragsstrafenregelung in der Regel ihre Wirkung.

3.
Nicht nachvollziehbar ist meines Erachtens die Auffassung des OLG Hamm, wonach der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Auftragnehmers am Fertigstellungsverzug zu tragen habe.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen trägt stets der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die ihm zur Last gelegte vertragliche Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Daran ändert auch die durchaus übliche, im Urteilsfall enthaltene Bestimmung nichts, dass Verzug mit der Fertigstellung (nur) aus Gründen eintritt, die der Auftragnehmer zu vertreten hat. Das OLG Hamm hätte nämlich, wenn es der positiven „Formulierung“ des Verschuldenserfordernisses Bedeutung für die Darlegungs- und Beweislast beimessen wollte, auch § 305 c Abs. 2 BGB sowie das Gebot der objektiven Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen berücksichtigen müssen; unter Beachtung dieser Grundsätze hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass mit der vorzitierten Formulierung das Erfordernis der Verschuldensabhängigkeit einer wirksamen Vertragsstrafenregelung zum Ausdruck gebracht und nicht eine Umkehr der Beweislast entgegen § 286 Abs. 4 BGB (!) bewirkt werden sollte.

Praxistipp:

Das Urteil des OLG Hamm ist, soweit es in Ziffer 1. thematisierte Vertragsstrafenregelung („1 % pro angefallener Kalenderwoche“) und die in Ziffer 3. angesprochene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast anbelangt, eine Einzelfallentscheidung. Es ist zu bezweifeln, dass sich diese Rechtsauffassung allgemein durchsetzen wird.